
-Post aus dem DNQP-
Wem ist das Folgende noch nicht passiert? Bei der Übergabe oder auch erst auf dem Heimweg von der Arbeit fällt einem ein, was man eigentlich noch erledigen wollte, aber in der Hektik vergessen hat. Oder man fängt plötzlich an zu grübeln, ob man auch die richtige Dosis von einem Medikament verabreicht hat. Der Umgang mit solchen Vorkommnissen, seien es falsch ausgeführte Handlungen, unvollständig ausgeführte Handlungen oder nicht erfolgte Handlungen wird nicht selten davon abhängig gemacht, ob ein unmittelbarer Schaden entstanden ist. Ein Nachmittag ohne Atemgymnastik wird möglicherweise verbucht als nicht ganz so schlimm, da Frau Meyer davon nicht gleich eine Lungenentzündung bekommen wird.
Die Debatte zu Patientensicherheit [1] und Fehlermanagement, die in den vergangenen 20 Jahre vor allem im Krankenhausbereich und in der Medizin geführt wurde, hat sehr deutlich gezeigt, dass ein Fehler, der von der einen Person gemacht wird, sehr wahrscheinlich auch von einer anderen gemacht wird. Konsequenz könnte also sein, dass Frau Meyer die ganze Woche keine Triflo-Übungen macht und sich ihre Lungensituation tatsächlich verschlechtert. Daher ist es in jedem Fall besser über unterlassene, unvollständige oder falsch ausgeführte Handlungen zu sprechen und gemeinsam mit den Kolleg*innen zu überlegen, was ein möglicher Grund war und wie das in Zukunft verhindert werden kann. Das birgt die Chance, einer Wiederholung vorzubeugen.
Zeichen einer guten Organisationkultur oder auch Sicherheitskultur ist es, wenn eine Kollegin bei der Übergabe sagen kann, was sie vergessen hat, ohne mit Vorwürfen oder genervten Blicken rechnen zu müssen. Ebenso verhält es sich mit der Gabe eines falsch dosierten Medikamentes. Sanktionen sind hier nicht der richtige Weg. Niemand ist unfehlbar, und deshalb werden unterschiedliche Arten von „Sicherheitsnetzen“ benötigt, damit Fehler unwahrscheinlicher werden können. Auch Expertenstandards [2] können dazu beitragen, die sichere Versorgung der Menschen, die pflegerisch betreut werden, zu verbessern.
Die einrichtungsinterne Auseinandersetzung mit den Inhalten der Expertenstandards trägt dazu bei, dass bisherige Vorgehensweisen kritisch betrachtet und gegebenenfalls angepasst werden. Dieser Anpassungsprozess ist wertvoll, da externes Wissen in internes Wissen umgewandelt und zu eigen gemacht wird. Durch die Anwendung der Audit-Instrumente haben die Einrichtungen die Möglichkeit, ihr aktuelles Qualitätsniveau auf den Prüfstand zu stellen und gezielt punktuell nachzubessern.
Im Zuge der zahlreichen Implementierungsprojekte des DNQP hat sich immer wieder gezeigt, dass diese in den Einrichtungen Denk-Prozesse auf allen Ebenen der Institutionen in Gang setzen, von den Pflegefachkräften in den jeweiligen Bereichen bis zum leitenden Management. Und genau diese Prozesse sind es, die verloren gehen, wenn neues Wissen einfach „verordnet“ wird, wie z. B. das Einhalten einer neuen Leitlinie oder Richtlinie. Aus den Einrichtungen, die an den modellhaften Implementierungen des DNQP beteiligt waren, wird regelmäßig berichtet, dass die Projekte bislang unerkannte Ressourcen zutage bringen, wie besondere fachliche und/oder personale Kompetenzen sowie Synergieeffekte in der Bearbeitung weiterer Themen zu beobachten sind.
Pflege ist die größte Berufsgruppe mit den meisten Patientenkontakten: Dementsprechend kommt ihr eine große Verantwortung zu, wenn es um die Sicherheit der betreuten Menschen geht. Und zwar nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in der stationären Langzeitpflege, ambulanten Pflege, Tages- und Kurzzeitpflege und anderen Wohnformen mit pflegerischer Beteiligung. Wenn man die gängige Literatur und Diskussion zum Thema verfolgt, könnte immer noch der Eindruck entstehen, dass nur in Krankenhäusern für mehr Sicherheit gesorgt werden muss. Dem ist aber nicht so. Vielleicht passieren hier tragischere Ereignisse wie z. B. die Operation des falschen Knies, das Belassen eines Fremdkörpers in einer Operationswunde oder die Gabe eines zu hochdosierten Medikamentes. Aber Fehler passieren überall wo Menschen arbeiten, daher ist es wichtig, sie zu erkennen und Strategien zu entwickeln, um sie zu reduzieren.
Die Berufsgruppe Pflege sollte hier stärker Verantwortung übernehmen und erfassen, wie häufig es zu unerwünschten pflegebezogenen Ergebnissen kommt, um in einem nächsten Schritt realistische Optionen zur Verbesserung zu entwickeln. Die Expertenstandards können hier ein wesentlicher Beitrag zur internen Qualitätsentwicklung sein, indem sie die Berücksichtigung zentraler Qualitätsrisiken sicherstellen und die Entwicklung einrichtungsinterner Vorgehensweisen und Konzepte unterstützen.
Wenn sie eine Frage an uns haben: Dann senden Sie uns entweder eine Mail oder nutzen Sie die Kommentarfunktionen unter den einzelnen Posts. Wir werden Ihre Frage aufgreifen, versprochen.
Kontakt:
Petra Blumenberg
p.blumenberg(at)hs-osnabrueck.de
Quellen
[1] https://www.aps-ev.de/glossar/
[2] https://www.dnqp.de/expertenstandards-und-auditinstrumente/