Wissenszirkulation zwischen gerontopsychiatrischer Forschung & Praxis
Am Anfang war die Demenz. Inzwischen ist klar: Pflege muss kompetent auf das ganze Spektrum gerontopsychiatrischer Erkrankungen reagieren können, nicht nur in der Psychiatrie, sondern in der Breite pflegerischer Dienstleistungen. Psychiatrische Zustandsbilder werden zudem im Alter von vielen weiteren Themen überlagert: den Persönlichkeitsveränderungen im Alter, den Auseinandersetzungen mit dem alternden Leib, der erlebten Schwäche auf allen Ebenen. Auch Psychiatrien sind mitunter auf diese geriatrisch-gerontopsychiatrischen-palliativen Zustandsbilder schlecht vorbereitet.
Zumeist hilft die Intuition ein Stück weit, allerdings: ohne wissenschaftlich und empirisch gesichertes Wissen läuft die Intuition mitunter irre und wird zuweilen an nicht sinnvollen Praktiken und Routinen festgehalten. Dies besonders dann, wenn der Klient/Patient sich verweigert, herausforderndes Verhalten zeigt oder umgekehrt: die Pflegenden ein regressionsförderndes Verhalten zeigen durch übertriebene Dominanz oder infantilisierende Höflichkeit.
Wenn es stimmt, dass Pflegende auf dieses Arbeitsfeld schlecht vorbereitet sind, dann muss man allerdings umgekehrt feststellen: die (Pflege)Forschung hat Pflegenden für dieses Arbeitsfeld (Ausnahme Demenz) recht wenig zu bieten. Im Umgang mit schwierigen, psychiatrisch komplexen Zustandsbildern (Depression, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, spät einsetzende Paraphrenie) finden sich gelegentlich psychotherapeutische Ansätze, bei denen allerdings die Pflege nur selten mitgedacht wird. Da mit einer Zunahme anspruchsvoller Bedarfslagen zu rechnen ist, ist die Pflege aber darauf angewiesen, zur Begründung für adäquate Rahmenbedingungen auf wissenschaftlich gesicherte Konzepte und Programme verweisen zu können. Dazu beizutragen ist die Forschung noch weit entfernt.
Unbestritten, dass Pflegende in, mit und durch Beziehung arbeiten. Wo und wie aber lernt man das – für alte, pflegebedürftige, an komplexen psychischen und physischen Erkrankungen leidende Personen – jenseits der Demenz? Welche Erkenntnisse gibt es dazu? Und wie sind diese bei knappen Ressourcen in der Breite pflegerischer Versorgung zu verankern? Hier tut sich ein Forschungsfeld auf.
Wir meinen: im Zusammenhang von Fallbesprechungen und anderen Formen der kollegialen Beratung wenden Pflegende Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten auf hoch kreative Weise an und erschaffen Lösungen und neues Wissen, die es aufzugreifen gilt. Wie Pflegende dies tun und zu welchen Lösungen sie kommen ist zu wenig bekannt, beforscht, kommuniziert. Pflegende sind an dieser Stelle nicht nur Rezipienten von Wissen, sondern Wissensquelle – ganz unabhängig von ihrer formalen Qualifikation.
Das DZLA versteht sich als eine Dialogplattform, um den Fragen und Anliegen der Praktiker ein Forum zu geben und den Forschenden eine Gelegenheit, ihre Arbeit praxisrelevant zu begründen. Wir wollen dazu beitragen, dass Forschende sich an den Fragestellungen der Praktiker orientieren und Pflegende vorhandenes Wissen besser nutzen können.