
Lichtblick: Widerstandsfähigkeit Pflegender stärken
Angesichts von Personalmangel, einem stark steigendem Pflegebedarf und einem herausfordernden Berufsbild stellt sich die Frage, wie man die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) beruflich Pflegender stützen und steigern kann. Es liegen inzwischen genügend Belege für einen engen Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden der professionell Pflegenden und der geleisteten Pflegequalität vor. Pflegende, die Herausforderungen wie Konflikten oder gar Feinseligkeit gut begegnen können, leisten bessere Arbeit. Die Widerstandsfähigkeit wiederum, so behaupten die Autoren, wird stark beeinflusst vom sozialen Klima am Arbeitsplatz. Gelingt es dann, gute Arbeit zu leisten, dann stärkt dies wiederum die Resilienz: Gutes tun bringt es mit sich, sich gut – also auch widerstandsfähig – zu erleben. Vorliegende Studie aus Australien geht dem komplexen Zwischenspiel zwischen diesen drei Faktoren nach.
Herausforderung:
In Australien – und nicht nur dort – nimmt der prozentuale Anteil von wenig oder kaum geschulten Pflegeassistenten und Zeitarbeitern beständig zu und der von diplomiertem Pflegepersonal ab. Pflegende sind häufig mit Gewalt konfrontiert, erleben Übergriffe und leisten in hohem Masse emotionale Arbeit. Zunehmend werden die Einrichtungen mit hochkomplexen Zustandsbildern, psychisch und somatisch herausfordernden Klienten konfrontiert. Geringe Vorbereitung, Schulung und Anleitung lässt das Engagement der Beteiligten rasch schwinden, obgleich viele zumindest anfangs hoch motiviert sind. Es ist damit zu rechnen, dass sich diese Tendenzen in den nächsten Jahren zuspitzen werden.
Informaionen zur Studie
1.These:
Das soziale Klima beeinflusst die Beziehung zwischen Resilienz und Pflegequalität.
Insbesondere die Forschungsergebnisse aus dem Bereich der positiven Psychologie legen nahe, dass Vertrauen, Kooperationsbereitschaft, gemeinsame Werte und eine gemeinsame Sprache – also das soziale Klima – die Widerstandsfähigkeit positiv beeinflussen. Mitarbeitende können angstfrei aus Fehlern zu lernen, sich für Erfolge wechselseitig belohnen, füreinander einstehen, einander bei Extrembelastungen stützen. Resilienz sollte demnach im Kontext konkreter Arbeitsbeziehungen gedacht und nicht nur als individuelles Merkmal der Person gedacht werden. Ein positives soziales Klima ermutigt, sich mehr Mühe zu geben, über sich selbst hinauszuwachsen, etwas Neues zu probieren und Risiken einzugehen.
2. These:
Das soziale Klima beeinflusst die Beziehung zwischen Resilienz und Wohlbefinden der Pflegenden.
Resilienz kann als positiver Zustand aufgefasst werden, der die Wahrscheinlichkeit des Wohlbefindens während der Arbeit erhöht. Es stehen mehr Ressourcen zur Verfügung, um Stress entgegenzuwirken. Ziele werden besser erreicht und Erfolge werden wahrscheinlicher. Je besser das soziale Klima, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Resilienz gefördert und die Arbeitsergebnisse verbessert werden können.
3. These:
Das soziale Klima wirkt auf die Beziehung zwischen Resilienz und Pflegequalität ein und dies wiederum wirkt sich auf die Beziehung zwischen Resilienz und Wohlbefinden aus. (also: aus 1 folgt 2) Ein positives soziales Klima stärkt die Resilienz und damit positive Arbeitsergebnisse; dies wiederum (‚doing good‘) wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden der Pflegenden aus, welches erneut dem sozialen Klima und dann der Pflegequalität zugutekommt.
Methode:
Es handelt sich um eine Querschnittsstudie, bei der Mitarbeitende aus 20 Einrichtungen eines Trägers in Australien befragt wurden. Der Fragebogen umfasste Einschätzungen zur Wahrnehmung der Pflegequalität, dem persönlichen Wohlbefinden während der Arbeit, zur Wahrnehmung der persönlichen Resilienz sowie zum sozialen Klima. 194 Antworten konnten ausgewertet werden. Beschrieben wird das Verfahren der Datenanalyse.
Resultate und Diskussion:
Alle Hypothesen konnten bestätigt werden. Ein unterstützendes soziales Klima trägt dazu bei, die Resilienz zu erhöhen und die Pflegequalität zu verbessern. Eben dies erhöht das persönliche Wohlbefinden: in einem guten sozialen Klima führt das ‚doing good‘ zum ‚feeling good‘. Praktisch bedeutet dies: wenn Mitarbeitende die Gelegenheit haben, eine in ihrer Wahrnehmung positive Pflegequalität zu leisten, dann erhöht dies ihr Wohlbefinden und ihre Resilienz. Dies gelingt besonders gut in Kontexten, in denen gegenseitiges Vertrauen und eine enge Zusammenarbeit gegeben ist. Insgesamt ist demnach beides wichtig: den Teamzusammenhalt und die Qualität der Zusammenarbeit fördern und entwickeln sowie dafür Sorge zu tragen, dass das Team insgesamt eine gute Arbeit leisten kann, z.B. durch Fortbildung oder Organisationsentwicklung. Nur wenn beides zusammenkommt (soziales Klima und Pflegequalität) wirkt sich das auf Resilienz und Wohlbefinden aus. Zumeist wird von Leitenden eher die Pflegequalität in den Blick genommen und die Teamqualität nachrangig verfolgt. Dagegen ist es wichtig, positive Erfahrungen miteinander zu teilen, sich wechselseitig zu ermutigen, Erfolge gemeinsam zu feiern, sich wechselseitig anzuerkennen und auch zu loben. Leitung und Führung hat die Aufgabe, dazu genügend Gelegenheit zu geben.
Einschränkend weisen die Autoren darauf hin, dass es sich um eine Gruppe von Mitarbeitenden aus einer Organisation handelt und dass die Selbstauskünfte der Mitarbeitenden durch andere Erhebungen validiert werden müssten, z.B. durch objektive Einschätzungen der Resilienz und der Pflegequalität. Weiterhin wurden die Daten im Kontext der stationären Altenpflege gewonnen und sind ohne weiteres auf andere Pflegekontexte übertragbar.
Quelle:
McNiel, N., Bartram, T. et al. (2019). Caring for aged people: The influence of personal resilience and workplace climate on ‘doing good’ and ‘feelinggood’. Journal of Advanced Nursing, 75, 1450-1461
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Christian Müller-Hergl
Dialogzentrum Leben im Alter (DZLA)