
Lichtblick: ‘Beziehung‘ ist der gemeinsame Nenner subjektiv empfundener Pflegequalität
Wie sieht die Pflege- und damit Lebensqualität von Personen mit Demenz aus? Wie kann man die Qualität der Pflege als Prozess erfassen? Wer kann dies erfassen? Demenzkranke, Pflegende, und Angehörige haben hier völlig unterschiedliche Perspektiven.
Pflegequalität im Heim kann nicht ohne die Klientenperspektive erhoben werden. Klassischerweise betonen Klienten Aspekte wie sich zuhause fühlen, selbstständig und eigenverantwortlich sein können, seine Würde bewahren können. Die vorliegende niederländischen Studie geht von einem Qualitätsbegriff aus, der als Prozess begriffen wird, ausgehend von Erwartungen, sodann konkreten Erfahrungen und nachfolgenden Bewertungen. Die üblicherweise genutzten Konzepte und Verfahren (Fragebögen) werden als zu statisch angesehen; sie geben keine Auskunft darüber, wie eine Person zu einer Einschätzung kommt. Damit vergibt man aber auch die Möglichkeit, gezielt einzugreifen. Die Frage ist demnach: Wie kann man Pflegequalität als Prozess erlebt aus der Bewohnerperspektive, darstellen?
Informationen zur Studie
Im Mittelpunkt aller drei Fragen (was, wie, wer) steht die Bedeutsamkeit von Beziehungen für die erfahrene Pflegequalität. (siehe Schaubild unten) Inhaltlich besteht diese aus der Qualität der Interaktionen (was), kann nur innerhalb dieser und anhand der Beziehungen erhoben werden (wie) und nur durch Personen, die in Beziehung stehen (wer). Entscheidend ist, ein genuines Interesse zu zeigen, sich Zeit zu nehmen und die Erfahrungen des Klienten in einem gemeinsamen Gespräch zu erkunden. Dabei ist deutlich, dass die Erfahrungen der Klienten mit der Pflege (subjektive Pflegequalität) nicht von eben der Beziehung gelöst erhoben werden kann, welche der Fragende zum Klienten hat: beides wirkt wechselseitig aufeinander ein.
Inhaltlich werden drei Dimensionen beschrieben: man muss den Klienten kennen und kennenlernen, insbesondere seine Werte, Wünsche, Bedürfnisse. (1) Wenn man zu Übereinkünften gekommen ist, muss gemeinsam erkundet werden, ob diese auch erfüllt wurden, z.B. ob der Klient seinen Tag so verbringen kann, wie es ihm gefällt. Hierbei sind es die kleinen und konkreten Dinge, welche zählen. (2) Eine sichere und sorgende Umgebung mit einem häuslichen und familiären Charakter bildet eine dritte Fragedimension. (3)
Vom Verfahren her werden drei Aspekte vorgestellt: Standardisierte Fragebögen helfen nicht, die subjektive Seite der Pflegequalität zu erheben: sie führen zu erwünschten Antworten, können Gefühle und Empfindungen nur ungenau erfassen, werden oft falsch verstanden und fragen nur vorformulierte Aspekte ab. Die subjektive Seite der Pflegequalität kann nur im direkten, persönlichen Gespräch erhoben werden. Hierbei sind verbale und non-verbale Anteile gleichgewichtig zu beachten. (1) Die Ergebnisse dieser Gespräche müssen weitergeleitet werden, wobei kein überzeugender Konsens erzielt werden konnte, wie dies zu geschehen sei. Einigkeit bestand darin, dass im Nachgang erfolgende quantitative Eintragungen in Erhebungsbögen (z.B. Einstufungen der Zufriedenheit zwischen 1 und 10) nicht zielführen sind. (2) Einigkeit bestand allerdings dahingehend, dass diese Gespräche kontinuierlich und fortlaufend erfolgen müssen, da jedes Gespräch immer nur eine Momentaufnahme darstellt. Daher sind diese Gespräche in die tägliche Pflegepraxis zu integrieren. (3)
Bezüglich der Frage, wer diese Gespräche führen sollte, gab es verschiedene Aspekte, aber keine gemeinsame Lösung. Dies könne sowohl die Bezugspflegekraft, aber auch eine vertraute Person von ‚Außen‘ sein, der/die eine gewisse Advokatenfunktion für den Bewohner einnehme.
Diskussion: Beziehung ist entscheidend für das Was, das Wie und auch das Wer in der Einschätzung subjektiv empfundener Pflegequalität. Im besten Fall kennt die Fragende den Klienten gut, ist erfahren in der Pflege und hat sich im Vorgehen und Fragestil gut an den Klienten angepasst. Die beste Form, subjektiv empfundene Pflegequalität zu eruieren, ist ein gutes, ehrliches, aufrichtiges Gespräch – möglichst immer mal wieder in regelmäßigen Abständen. In diesem Gespräch sollte es darum gehen, was dem Klienten wichtig ist, was es für ihn/sie heißt, sinnvoll und gut zu leben und wie Pflege und Betreuung dazu beitragen kann. Familien sollten einbezogen werden, im Zweifelsfall aber zählt die Aussage des/der Klienten/In.
Quelle: Sion, K., Verbeek, H., Hamers, J. et al. (2020). How to assess experienced quality of care in nursing homes from the client’s perspective: results of a qualitative study. BMC Geriatrics, 20:67, https://doi.org/10.1186/s12877-020-1466-7
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