Persönlicher Nachruf zum Tod von Detlef Rüsing

Von Christian Müller-Hergl, Nils Hensel und Andreas Büscher

Unser langjähriger beruflicher Weggefährte Detlef Rüsing ist am 01. Januar 2023 nach langer und schwerer Krankheit verstorben. Es ist furchtbar traurig, dass er so schnell und so bald gehen musste.

Ende der 90-iger Jahre lernten Christian Müller-Hergl und Detlef Rüsing sich im Rahmen eines der ersten Dementia Care Mapping (DCM)-Kurse in Deutschland kennen. Detlef entwickelte ein starkes Interesse an diesem Instrument, wurde DCM-Trainer und verfasste dazu seine Masterarbeit in der Pflegewissenschaft.

Beide bauten zusammen das Dialogzentrum Demenz (DZD) an der Universität Witten/Herdecke auf, das sie in leicht geändertem Format an der Hochschule Osnabrück als Dialogzentrum Leben im Alter (DZLA) für einige Jahre fortsetzen konnten. 

Das Ziel:

Wissenschaftliches Wissen muss einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden und Praxisfragen müssen vermehrt Eingang in die Forschung finden.

Insgesamt haben beide 17 Jahre mehr oder weniger eng zusammengearbeitet und gemeinsam viele Ideen und Konzepte entwickelt. Sie waren füreinander geistige Sparringspartner und haben zusammen manche Krisen und Herausforderungen durchlebt. Gegen Ende der ‚Laufzeiten‘ von Projekten wurde oft den ‚Bescheiden‘ entgegen gebangt, die oft wenige Tage vor dem Ende und erwarteten Neubeginn eintrafen.

In seiner Zeit in Osnabrück hat Detlef Rüsing dem Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) viele gute Anregungen gegeben und ihm dabei auch kritisch auf die Finger geschaut.

Der Aufbau des Dialogzentrums Leben im Alter (DZLA) an der Hochschule Osnabrück gemeinsam mit Nils Hensel und Christian Müller-Hergl sollte in einen mittel- und langfristigen Dialog münden. In der Corona-Pandemie war es jedoch nicht einfach, einen Dialog zu etablieren, während Abstand und Isolation eine Maxime des Alltags waren.

In all diesen Jahren haben wir Detlef als treibende Kraft erlebt: Er verfügte über einen großen Ideenreichtum, passte sich nicht dem wissenschaftlichen Mainstream an, dachte oft originell, kreativ, zuweilen auch kompromisslos, immer im Interesse an der Verbesserung der Lebens- und Pflegesituation von Menschen mit Demenz. Wissenschaft sollte, so sein Credo, nicht nur evidenzbasiert, sondern praxisbasiert erfolgen: also entlang der tatsächlichen Wissensfragen, die Pflegende umhertreiben.

Detlef war direkt, unbeugsam und unkonventionell. Ganz in diesem Sinne stellte er seine eigene Zeitschrift pflegen:demenz auf die Beine, die in mancherlei Hinsicht seine persönliche Hauspostille darstellte. Wiederholt rieb er sich an der Geschlossenheit und Selbstgefälligkeit von Institutionen, Prozessen und auch Personen, die mehr an Selbsterhalt als an genuiner Wissenskreation interessiert waren.

Detlef ließ sich nicht einfangen: von dem, was vielleicht einfacher, bequemer, lukrativer hätte sein können. Er bewahrte seine intellektuelle Eigenständigkeit, ging Konflikten nicht aus dem Weg, zahlte aber dafür auch den hohen Preis von Unsicherheit und verwehrter Anerkennung. Darunter hat er nicht selten gelitten. Seine eigene Promotion konnte er nicht beenden, weil er immer wieder damit beschäftigt war, Menschen davon zu überzeugen, sein Verständnis von Wissenschaft, Praxis und Dialog zu unterstützen.

Wir hätten uns für Detlef gewünscht: eine Professur für gerontopsychiatrische Pflege, Schwerpunkt Demenz! Das wäre es (vielleicht) gewesen!

Detlef Rüsing hat sich im Kontext der Pflege von Menschen mit Demenz und dem Wissenstransfer zwischen Praxis und Forschung große Verdienste erworben. Er wird in den fachlichen Kontroversen und Debatten und als Mensch schmerzlich fehlen. 

22 Antworten

  1. Nils Hensel sagt:

    Auch im Namen von Christian Müller-Hergl und Andreas Büscher herzlichen Dank für die Kommentare und die Anteilnahme!
    Viele Grüße,
    Nils Hensel

  2. Ruth/Trier sagt:

    Detlef Rüsing hat mich immer wieder durch seine besondere Sicht auf fachliche Themen begeistert und inspiriert. Sein Tod ist ein großer Verlust und trifft mich sehr!

  3. Andrea Josefa Brinker sagt:

    Begegnung und echter Kontakt fallen mir als erstes ein, wenn ich an Detlef denke. Er war für mich wie: Feuer und Eis. In der Mitte entstand dauernd Neues. Er ist noch ins neue Jahr mit einem Impuls hinein und dann gestorben…er war da, mit all seiner Energie Menschen zu bewegen.
    Vieles was ihm wichtig war hat er uns hinterlassen …. er hatte sehr viele wichtige Worte und hat so viele Themen aufgenommen und bearbeitet: Angst, Langeweile, Schmerz, Rufen und Schreien, über die Sinne erreichen. Ich hoffe, das er in seiner letzten Lebensphase eine ganzheitliche Begleitung erfahren konnte.
    Ich mochte die Augenblicke von Begegnungen. z.B. bei einer Tagung in Soest zum Thema KIDZELN. Detlef: „..einfach nur gemeinsam lachen.“
    Gerne habe ich die Zeitschrift pflegen:Demenz gelesen, auch dort hat er vor vielen Jahren das Thema „Kindern Demenz erklären“ aufgegriffen. Die vielen Beiträge bleiben mir lebendig in Erinnerung. Detlef: „…und viel Spaß beim Lesen.“
    Mit lieben Gedanken für ALLE die ihn schmerzlich vermissen.

  4. Charlotte Boes sagt:

    Was für eine traurige Nachricht. Ich erinnere mich gerne an Detlef, seinen Humor, seine Gradlinigkeit und seine unermüdlichen Einsatz für Menschen mit Demenz mit Wissen und kreativen Ideen. Seinen Mut gegen den Strom zu schwimmen.
    Ich wünsche der Familie alle Kraft für diese schwere Zeit.

  5. Charlotte Boes sagt:

    Was für eine traurige Nachricht. ich bin fassungslos, Ich habe mit Detlef studiert und mit ihm die DCM-Ausbildung gemacht. Er war ein kreativer Geist, der unkonventionell und mutig Dinge auf den Punkt gebracht hat. Für seine große Leidenschaft: die Menschen mit Demenz in den Blick und Ernst zu nehmen. Ich erinnere mich an so manche leidenschaftliche Diskussion. Und daran, dass man mit ihm auch so gut lachen konnte. Danke Detlef.
    Seiner Familie und insbesondere seinen Töchter, die ihm so wichtig waren, wünsche ich Kraft für diese schwere Zeit.
    Vielen Dank an Andreas Büscher, Christian Müller-Hergl und Nils Hensel für die treffenden und einfühlsamen Worte.

  6. Ich möchte meine Trauer über den Tod von Detlef Rüsing auch zum Ausdruck bringen. Ich habe ihn persönlich nicht gekannt, habe aber seine Art der Wissensvermittlung und auch seinen Mut, dieses Wissen und seine Erfahrungen gegen Widerstände zu vertreten, sehr bewundert. Er hat damit großes für den Umgang und das Wohl von Menschen mit Demenz bewirkt und Pflegende, Betreuende und auch Angehörige unterstützt und motiviert.

  7. Sabine Bartholomeyczik sagt:

    Schockiert hat mich die Nachricht von Detelfs Tod, die Endlichkeit des Lebens wird hier mal wieder einschneidend sichtbar. Als Lehrende und Forschende habe ich Detlef sehr geschätzt, weil er übliche Sichtweisen so klug und begründet erweitern konnte, weil er immer neue Ideen hatte und sich nicht von manchen engen Regeln im üblichen Wissenschaftsbetrieb einengen ließ, auch wenn das alles nicht immer bequem war. Deswegen habe ich es sehr bedauert, dass er die formal notwendigen Schritte zur hochschulischen Lehre nicht gegangen ist, denn diese hätte sehr von Detelfs vielfältigen Perspektiven, seinem Ideenreichtum profitieren können. Nicht vergessen werden sollte, dass er entscheidend an der Beantragung zum DZNE in Witten beteiligt war.
    Ich hoffe, dass Detlef friedlich sterben konnte und wünsche seiner Familie Geduld und Trost in dieser Zeit des endgültigen Abschieds.

  8. Gabriele Kreutzner sagt:

    Auch ich möchte meine Traurigkeit über diesen frühen Tod und meine große Achtung vor Detlefs mitreißendem Engagement zu Ausdruck bringen. Detlef Rüsing war ein Mensch, wie man ihm nicht oft begegnet. Geradeaus, rückhaltlos für die Sache einstehend, die ihm wichtig war: Die Verbesserung der Pflege/Sorge für Menschen mit Demenz und die Überzeugung, dass es dazu einen Theorie-Praxis Transfer braucht, der keine EInbahnstraße, sondern ein mit- und voneinander Lernen ist. Er wird fehlen.

  9. Alexandra Maywald sagt:

    Ich bin fassungslos über die Nachricht von Herrn Rüsings Tod. Mehrmals konnte ich ihn persönlich sprechen und habe etwas von seinem Kampfgeist in mich aufgenommen. Es ist ein schmerzlicher Verlust für die „Demenz-Welt“. Ich wünsche dem Team, insbesondere Herrn Müller-Hergl und seiner Familie viel Trost und Kraft für die kommende Zeit. Mögen sein Geist, seine Ideen, seine Visionen in uns allen weiterleben.

  10. Marina Meisterhofer sagt:

    Ich bin sehr bestürzt über diese traurige Nachricht! Ich durfte Detlef Rüsing mehrfach in Wien und Witten/Herdecke bei Seminaren hören und erleben und verfolgte seine Beiträge und Auftritte. Ich werde seine Expertise und kritischen Blickwinkel sehr vermissen. Meine aufrichtige Anteilnahme gilt seiner Familie und seinem Wegbegleiter Christian Müller-Hergl.

  11. Irene Leu sagt:

    Fassungslos! Detlef Rüsing musste viel zu früh gehen. Ich habe ihn leider nicht persönlich kennengelernt, aber vieles von ihm gelesen und ihm zugehört. Ich habe ihn bewundert für seine stets treffenden Worte, die mir viel Eindruck machten.
    Seiner Familie und Nahestehenden wünsche ich viel Kraft in dieser sicher schweren Zeit!
    Irene Leu

  12. Was für eine traurige Nachricht! Ich habe mit Detlef zusammen die DCM Ausbildung gemacht. Er war sofort Feuer und Flamme für den personzentrierten Ansatz. Freiheit und Autonomie waren seine Themen. Die Regeln einer Institution waren im immer verhasst. Ich habe seinen Mut bewundert mit dem er offen und ohne Visier seine Meinung vertreten hat. Seine Stimme wird sehr fehlen!!!

  13. Barbara Klee-Reiter sagt:

    Vielen Dank für den ergreifenden Rückblick auf das Leben und Wirken von Detlef. Ich habe mit ihm zusammen die DCM Ausbildung gemacht. Er war sofort Feuer und Flamme für den personzentrierten Ansatz. Autonomie und Freiheit waren immer Themen für ihn. Die Regeln in einer Institution waren ihm suspekt und haben seinen Widerstand aktiviert. Ich habe es in einigen Kommentaren gelesen und ich möchte mich dem anschließen: Seine Stimme wird sehr fehlen!

  14. Fassungslos und unendlich traurig!
    Ein großer Anders-Weiter-Größer-Denker. Ein spannender, ernergiegeladener Lehrer.
    Bissig, scharfsinnig und visionär.
    Für die Pflege ein großer Verlust.
    Danke für die tollen und vielen Inputs, Anregungen und Diskussionen.
    Detlef Rüsing war ein wichtiger Denker, Wegbereiter und Streiter für eine würdevolle, professionelle Pflege. Er wird es stets bleiben.
    Sein großes Vermächtnis soll uns allen Beispiel, Ansporn und Herausforderung sein.

  15. Sabine Birck sagt:

    Auch ich bin betroffen und möchte seinen nahestehenden Menschen mein Beileid aussprechen. Mit deutlicher Stimme hat er sich vernehmbar gemacht gegen die Aussortierung unserer Alten und wollte sich, wenn ich ihn richtig verstanden habe, auch nicht begnügen mit der Geste der förmlichen Anerkennung, die heute allerorten schon als Ausweis humaner Gesinnung dient. Darum habe ich ihm interessiert zugehört, immer wieder., obwohl ich nur pflegende Angehörige war und meine Mutter in tiefster Demenz schon vor fast 2 Jahren gestorben ist.
    Seine Tätigkeit war nicht vergeblich – Anerkennung hin oder her – und ich hoffe, es möge in Zukunft viel mehr solcher Stimmen geben! S.B.

  16. Renate Rösler-Swoboda sagt:

    Unfassbar. Die Wissenschaft hat einen Denker, einen Treiber verloren. Alle anderen einen einen witzigen, liebevollen und ehrlichen Menschen. Danke für unsere gemeinsame Studienzeit. Lebewohl.
    Viel Kraft den Hinterbliebenen

  17. Christiane/ Dresden
    Eure Nachricht macht fassungslos und Euer Beitrag sagt genau das aus, wie ich Detlef zu Zeiten des DZD, g-plus und der Förderprgramme der Robert Bosch Stiftung in Witten erlebte.
    Für die Menschen, denen Personzentriertheit wirklich am Herzen liegt, die sie umsetzen und im Pflege- und Betreuungsalltag leben, ein großer Verlust. Seine Stimme wird fehlen.
    Euch wünsche ich in aller Traurigkeit Hoffnung und Zuversicht, weiter am Thema Demenz zu forschen, zu lehren, zu streiten und mit den Menschen mit Demenz und ihren Familien zu leben.

  18. Rüdiger Jezewski sagt:

    Es ist für mich unfassbar! Ein Verlust für mich und für uns in der Demenzcommunity. Ich werden seine Vision für Menschen mit Demenz weitertragen!
    Danke für Deine Unterstützung und Wegbegleitung im Thema Demenz und persönlich!
    In Trauer, Rüdiger Jezewski

  19. Jasmin Greskötter-Prüß sagt:

    Oh, das ist traurig und ein großer Verlust für Viele! Ich wünsche mir, dass seine Tätigkeiten, Werke, (Denk-)Anstöße und Errungenschaften weiter fortwirken mögen.

  20. Eine Nachricht, die Fassungslosigkeit und Trauer auslöst. Ein Verlust für Euer Team und ein Verlust für die ihm freundschaftlich verbundenen Menschen. Unser Beileid für alle und insbesondere für seine Familie. Detlef wird als Streiter für seine Themen schmerzlich fehlen.

  21. Susanne/ Berlin sagt:

    Wie unendlich traurig! Das ist ein herber Verlust für alle Menschen, die sich für einen würdigen Umgang mit von Demenz Betroffenen einsetzen. Diese Wortgewalt, Energie und Überzeugungskraft waren einmalig und haben mich bei jedem seiner Vorträge fasziniert.

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