
Post aus dem DNQP
Wer sich eingehender mit den Expertenstandards und ihren Veröffentlichungen beschäftigt, wird feststellen, dass ihr Aufbau immer einem ähnlichen inhaltlichen Muster folgt. Mit diesem Beitrag wollen wir ein wenig auf die Funktionen dieser Inhalte eingehen. Die Frage ist also eigentlich: „Was gehört zu einem Expertenstandard?“
Der Expertenstandard selbst ist das, was Ihnen vielleicht als Tabelle oder Expertenstandardtabelle bekannt ist. Es sind die in Struktur-, Prozess- und Ergebniskriterien unterteilten Standardebenen, die gemeinsam dem Erreichen der begründeten Gesamtzielsetzung des Expertenstandards dienen. Und auch die Expertenstandards folgen immer einem bewährten Muster und bilden, beginnend mit der Einschätzungsebene und endend mit der Evaluationsebene, die Schritte der Pflegeprozessmethode ab.

Allerdings hat ein Expertenstandard – gemeint sind die in Struktur-, Prozess- und Ergebniskriterien unterteilten Standardebenen – alleine nur eine begrenzte Nutzbarkeit. Seine Kriterien sind abstrakt formuliert und es besteht der Anspruch an Expertenstandards, überall anwendbar zu sein, wo pflegebedürftige Menschen durch professionelle Pflegende gepflegt werden. Eine „systematische Einschätzung eines Dekubitusrisikos“ muss bspw. also einerseits unter unterschiedlichen Einrichtungsbedingungen und andererseits für unterschiedliche Zielgruppen möglich sein. Dass die Kriterien alleine also nur eine begrenzte Nutzbarkeit haben, bringt uns zurück zu der Frage, was zu einem Expertenstandard gehört und welche Funktionen die weiteren Inhalte der Expertenstandardveröffentlichungen haben.
Zentrale Bedeutung haben die Präambel und die Kommentierungen der Standardkriterien. In der Präambel wird der Gültigkeitsbereich des Expertenstandards abgesteckt, indem Anwender und Zielgruppen benannt, die Zielsetzung und Begründung verdeutlicht und Voraussetzungen für seine Anwendung skizziert werden. Die Kommentierungen enthalten Empfehlungen und Hinweise für die Konkretisierung der Standardkriterien. So werden bspw. geeignete Einschätzungsinstrumente oder Pflegemaßnahmen für unterschiedliche Zielgruppen genannt. Dabei werden, sofern es notwendig erscheint, auch die unterschiedlichen Bedingungen der verschiedenen Einrichtungsarten genannt, denn eine „unverzügliche Reaktion auf die Bitte um Hilfe bei der Ausscheidung“, wie es im Expertenstandard „Förderung der Harnkontinenz in der Pflege“ formuliert ist, hat in einer stationären Einrichtung bspw. eine andere Bedeutung und Gültigkeit als in einem ambulanten Pflegesetting. Somit geben die Kommentierungen wichtige und nicht zu ignorierende Hinweise für die individuelle Einführung von Expertenstandards und die darauffolgende Umsetzung ihrer Inhalte in unterschiedlichen Einrichtungen oder Abteilungen.

In der Regel hat die Literaturanalyse den größten Umfang in den Veröffentlichungen zu einem Expertenstandard. Expertenstandards gelten als evidenzbasierte Instrumente und dementsprechend kommt auch der Literaturanalyse eine große Bedeutung zu. Das methodische Vorgehen zur Entwicklung von Expertenstandards sieht vor, dass zur Identifikation und Aufbereitung des vorliegenden Wissens zum Thema eines Expertenstandards eine Literaturanalyse und -bewertung durchgeführt wird. Sie stellt die Grundlage der Empfehlungen dar, die sich im Expertenstandard wiederfinden. Dies gilt auch für den Fall, dass in der Forschungsliteratur Lücken bestehen, Studien von mangelhafter Qualität sind oder ihre Ergebnisse keine praktische Relevanz haben, bspw. wenn Assessmentinstrumente ausschließlich Forschungszwecken dienen und nicht praxistauglich sind. In diesem Fall spielt das fachliche Urteil der Experten und Expertinnen, die an der Entwicklung eines Expertenstandards beteiligt sind, eine entscheidende Rolle. Soweit es möglich ist, wird die Sprache der Literaturanalysen ihrer Wissenschaftlichkeit entkleidet und mit größtmöglicher Lesbarkeit versehen. Allerdings ist uns auch bewusst, dass das nicht immer in zufriedenstellendem Maße gelingt. Somit mögen sie nicht für jede Person lesbar und verständlich erscheinen. Dennoch lohnt sich die Mühe, vor allem immer dann, wenn bei der Einführung eines Expertenstandards Fragen auftreten, die sich nicht alleine durch die Kommentierungen beantworten lassen.
Zu jedem Expertenstandard gehört auch ein spezifisches Auditinstrument. Es dient hauptsächlich der internen Überprüfung der Umsetzungsqualität der Standardanwendung. Aber es hat weitere Funktionen. So kann mit einem Audit der Fortbildungsbedarf zu den Inhalten eines Expertenstandards ermittelt, die Qualität der Pflege bei bestimmten Pflegerisiken bestimmt oder das Ergebnis einzelner Pflegemaßnahmen aus Sicht der pflegebedürftigen Menschen erfasst werden. Über die Auditinstrumente und ihre Anwendungsmöglichkeiten werden wir in einem späteren Blogpost sicher noch einmal berichten.
Abgeschlossen wird eine Veröffentlichung zu einem Expertenstandard üblicherweise mit einem Ergebnisbericht zu seiner modellhaften Implementierung. Lediglich zum Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“ liegt dieser Bericht separat vor. Die Ergebnisberichte dienen vornehmlich dazu, die Anwendbarkeit und Akzeptanz des Expertenstandards nachzuweisen. Sie beschreiben aber auch, wie Einrichtungen bei der Einführung des Expertenstandards vorgegangen sind und bieten daher eine Fülle von Hinweisen, die für andere Einrichtungen hilfreich bei eigenen Implementierungsvorhaben sind.
Haben Sie Fragen oder Hinweise für uns, wie wir unsere Expertenstandardveröffentlichungen verbessern können?
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Kontakt:
Heiko Stehling, MScN